Im Zentrum: das 8. Streichquartett
Die Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch stehen 2025 im Zeichen des 50. Todestages von Dmitri Schostakowitsch († 9. August 1975). Bei ihrer 16. Ausgabe, die vom 26. bis 29. Juni 2025 im Kurort Gohrisch stattfindet, sind deshalb zentrale Werke Schostakowitschs zu hören, darunter sein 8. Streichquartett c-Moll op. 110, das er im Juli 1960 in Gohrisch komponierte. Dieses bildet den Rahmen des diesjährigen Programms: Es erklingt im Eröffnungskonzert (26. Juni, 19.30 Uhr), gespielt von Stimmführern der Sächsischen Staatskapelle Dresden, und in der Fassung für Streichorchester von Rudolf Barschai in einer Aufführungsmatinee des Partnerorchesters der Schostakowitsch Tage am letzten Festivaltag (29. Juni, 11 Uhr).
„In diesem Gedenkjahr stellen wir das 8. Streichquartett besonders in den Fokus“, erläutert der künstlerische Leiter Tobias Niederschlag. „Es ist ein Werk, das Schostakowitschs Biographie wie in einem Brennspiegel bündelt, ein autobiographisches Vermächtnis. Beide Fassungen in einem Festivaljahrgang, die Originalfassung und die Bearbeitung von Rudolf Barschai, erklangen bislang nur bei unserem allerersten Festival 2010. Damals wollte Barschai die ‚Kammersymphonie‘ op. 110a noch selbst in Gohrisch dirigieren, musste seine Mitwirkung aber kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen absagen.“
Schostakowitschs Vorbilder …
Neben Werken des Namensgebers blickt das Festival im Gedenkjahr auf seine Vorbilder. So gestaltet Yulianna Avdeeva eine Klaviermatinee mit Werken von Schostakowitsch und Frédéric Chopin (28. Juni, 11 Uhr). „Schostakowitsch war ein hervorragender Pianist“, so die Pianistin. „1927 nahm er am erstmals ausgetragenen Chopin-Wettbewerb in Warschau teil, gewann aber keinen Preis, sondern nur ein Diplom. Das hat dazu beigetragen, dass er sich fortan mehr dem Komponieren als dem Klavier widmete. Der Einfluss von Chopin auf den jungen Schostakowitsch darf aber als ziemlich hoch eingestuft werden.“ In ihrer Matinee stellt Avdeeva einer Auswahl aus Schostakowitschs 24 Präludien und Fugen op. 87 den Zyklus der 24 Préludes von Chopin gegenüber.
Für Schostakowitsch war Bach zeitlebens ein großes Idol. Bei seinem Besuch in Leipzig 1950 bekannte er: „Johann Sebastian Bach, der Genius der Musik, ist einer meiner liebsten Komponisten. Ich spiele täglich Bach.“ In Anlehnung an das „Wohltemperierte Klavier“ schrieb er nach der Leipzig-Erfahrung seinen eigenen Zyklus Opus 87. Der Bassist Alexander Roslavets und der Pianist Andrei Korobeinikov stellen dem Liedschaffen Schostakowitschs in der Konzertscheune Auszüge aus Bachs „Wohltemperiertem Klavier“ gegenüber (28. Juni, 19.30 Uhr).
Ein weiterer Fixpunkt für Schostakowitsch war Ludwig van Beethoven, eine Beethoven-Büste überragte alles in seinem Moskauer Arbeitszimmer. Im Abschlusskonzert (29. Juni, 15 Uhr) gestaltet das Quatuor Danel ein Beethoven-Schostakowitsch-Programm, das unter besonderen Vorzeichen steht: „Wir verbinden das 15. Streichquartett Beethovens, sein Opus 132, mit dem 15. und letzten Quartett Schostakowitschs“, so Primarius Marc Danel. „Diese Kombination wurde gern vom alten Borodin-Quartett gespielt, dessen legendärer Cellist Valentin Berlinsky in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden wäre.“ Somit würdigt dieses Konzert nicht nur Schostakowitsch, sondern zugleich das Borodin-Quartett und Berlinsky, die für die Mitglieder des Quatuor Danel wichtige Mentoren in ihrer Anfangszeit waren.
… und von Schostakowitsch geförderte Komponisten
In zwei Orchesterkonzerten stehen darüber hinaus von Schostakowitsch geförderte Komponisten im Fokus. Beim Gastspiel der Kremerata Baltica unter Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla (27. Juni, 19.30 Uhr) wird die 14. Symphonie Schostakowitschs Werken von Mieczysław Weinberg gegenübergestellt. Die Musik des engen Schostakowitsch-Freundes wird erst seit einigen Jahren entdeckt – auch bei den Schostakowitsch Tagen, wo manche seiner Werke zur Erst- bzw. Uraufführung gelangten. Der Dirigentin Mirga Gražinytė-Tyla liegt Weinberg besonders am Herzen. Im vergangenen Sommer leitete sie bei den Salzburger Festspielen eine gefeierte Neuproduktion von dessen Oper „Der Idiot“ am Pult der Wiener Philharmoniker.
In der Aufführungsmatinee der Sächsischen Staatskapelle Dresden (29. Juni, 11 Uhr) steht – neben der Kammersymphonie – das Werk eines Lieblingsschülers von Schostakowitsch auf dem Programm: Dmitri Jurowski dirigiert die Oper „Rothschilds Geige“ von Benjamin Fleischmann, der 1941 mit 28 Jahren an der Front der Leningrader Blockade fiel und das Werk unvollendet hinterließ. Schostakowitsch vervollständigte und orchestrierte den Einakter nach der Novelle von Anton Tschechow. Für die konzertante Aufführung in Gohrisch erstellte Dmitri Jurowski eine Fassung für Kammerorchester sowie eine neue deutsche Übersetzung, die in exquisiter Besetzung (Marek Kalbus, Thorsten Büttner, Jürgen Müller, Irina Papenbrock) erstmals zu hören sein wird.
Gohrisch-Debütant und 477-jährige Preisträgerin
Neben der Aufführungsmatinee gestalten Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle Dresden zwei Programme, die ausschließlich Schostakowitsch gewidmet sind: das Eröffnungskonzert (mit Matthias Wollong, Holger Grohs, Sebastian Herberg und Sebastian Fritsch), bei dem neben dem 8. Streichquartett auch das Klavierquintett auf dem Programm steht, sowie eine Musikalische Lesung mit dem Schauspieler Ulrich Noethen („Comedian Harmonists“, „Charité“, „Wendland“), der sein Debüt in der Konzertscheune gibt (28. Juni, 15 Uhr). Er liest aus dem fiktiven Schostakowitsch-Roman „Der Lärm der Zeit“ von Julian Barnes, dazu erklingt etwa das 2. Klaviertrio mit Yuki Manuela Janke, Friedrich Thiele und der Pianistin Onutė Gražinytė, die bereits im Eröffnungskonzert den Klavierpart in Schostakowitschs Quintett op. 57 übernimmt.
Seit Beginn der Schostakowitsch Tage 2010 sind die Musikerinnen und Musiker der Sächsischen Staatskapelle der wichtigste künstlerische Partner. Das 1548 gegründete und damit inzwischen 477 Jahre alte Traditionsorchester war maßgeblich an der Entstehung des Festivals beteiligt und hat es seither kontinuierlich und mit großem Engagement mitgestaltet. Aus Anerkennung und Dankbarkeit hierfür wird die Staatskapelle im Rahmen der Aufführungsmatinee mit dem 16. Internationalen Schostakowitsch Preis Gohrisch ausgezeichnet.
Am Vorabend der Schostakowitsch Tage (25. Juni, 20 Uhr) musiziert das Orchester wieder ein Sonderkonzert im Dresdner Kulturpalast. Dabei gelangen u. a. beide Klavierkonzerte Schostakowitschs mit dem Pianisten Kirill Gerstein und dem Trompeter Helmut Fuchs unter Leitung von Marie Jacquot zur Aufführung.
Posthume Schostakowitsch-Uraufführung
In den vergangenen Jahren haben die Schostakowitsch Tage immer wieder durch späte Uraufführungen von Schostakowitsch aufhorchen lassen. Auch 2025 wird ein bislang nicht bekanntes seiner Werke in der Konzertscheune erstmals öffentlich erklingen: die Romanze „Der Nagel von Jelabuga“ für Bass und Klavier, deren Fragment die führende Schostakowitsch-Forscherin Olga Digonskaja 2019 entdeckte und das im Auftrag der Schostakowitsch Tage von Alexander Raskatov vervollständigt wurde. Dem Werk liegt ein Gedicht von Jewgeni Jewtuschenko zugrunde, das den Tod der Dichterin Marina Zwetajewa thematisiert, die sich 1941 in Jelabuga erhängte. Im Rahmen ihres schon erwähnten Liederabends gestalten Alexander Roslavets und Andrei Korobeinikov die posthume Uraufführung dieses bedeutenden Spätwerks (28. Juni, 19.30 Uhr).
In memoriam Sofia Gubaidulina
Vor wenigen Wochen verstarb die große Komponistin Sofia Gubaidulina im Alter von 93 Jahren († 13. März 2025). Sie fühlte sich den Schostakowitsch Tagen herzlich verbunden, besuchte das Festival seit 2014 regelmäßig und vertraute ihm mehrere Ur- und Erstaufführungen an. Als sie 2017 in Gohrisch mit dem Schostakowitsch-Preis ausgezeichnet wurde, bekannte sie, dass sie die Musik Schostakowitschs im Herzen trage und ihm dankbar sei, dass er sie als junge Komponistin ermunterte, „ihren eigenen, falschen Weg“ konsequent weiterzugehen.
Im Gedenken an Sofia Gubaidulina wurde das Programm kurzfristig um ein Gesprächskonzert mit Film erweitert (27. Juni, 11 Uhr). Dabei werden der große Cellist David Geringas und der Bajan-Spieler Geir Draugsvoll – beide haben eng mit der Komponistin zusammengearbeitet – Werke von ihr aufführen und im Gespräch mit Jan Brachmann (Frankfurter Allgemeine Zeitung) über Begegnungen mit Sofia Gubaidulina berichten. Im Anschluss wird der Dokumentarfilm „Sophia – Ein Violinkonzert für Anne-Sophie Mutter“ gezeigt, in dem der Filmemacher Jan Schmidt-Garre die Entstehung des 2. Violinkonzertes „In tempus praesens“ beleuchtet.
Das komplette Programm finden Sie >> HIER << bzw. im >> Veranstaltungskalender << hier im Portal.
Jubiläumsausstellung
Das Konzertprogramm wird durch eine neue Ausstellung über Leben, Werk und Wirkung Schostakowitschs ergänzt, die der Musikwissenschaftler Dr. Alexander Gurdon für das Schostakowitsch-Jahr 2025 konzipiert hat. Sie kann während der Festivaltage in der Konzertscheune besichtigt werden, wo auch ein Katalog zur Ausstellung erhältlich sein wird.
Der Vorverkauf hat am 15. April 2025. Tickets unter www.schostakowitsch-tage.de
Internationale Schostakowitsch Tage Gohrisch
Veranstalter:
FestivalKultur Sächsische Schweiz FEKUSS gGmbH
Rottwerndorfer Straße 45 k | 01796 Pirna
NEU: Tel+49 3501 4404536 I ticket@fekuss.de
(Bildquelle: Mirga Grazinyte-Tyla (c) Matthias Creutziger)